Scream into the Void and hopefully the Void screams back

Es gibt Tage, da fühlt sich Schreiben im Internet an, als würdest du mitten auf einem verlassenen Parkplatz stehen und einfach losschreien. Deine Stimme hallt über Asphalt und leere Einkaufswagen hinweg, doch zurück kommt nichts außer Stille. Manchmal antwortet höchstens der Wind – oder eben ein Bot, der dir höflich anbietet, Bitcoin zu kaufen.

Und genau das beschreibt ungefähr 90 % unserer Online-Kommunikation: Wir investieren Stunden, Tage, Wochen unseres Lebens, um Meinungen zu äußern, die niemand liest – außer vielleicht irgendeiner KI, die unsere Gefühle als Trainingsmaterial nutzt. Das ist nicht nur tragisch, sondern auch absurd. Willkommen im Zeitalter des digitalen Existentialismus: Wir schreien in den Void und hoffen verzweifelt, dass irgendjemand zurückschreit.

Das Problem ist, unsere digitale Kommunikation leidet unter etwas, das Medienwissenschaftler als „Kontext-Kollaps“ beschreiben. Plötzlich befinden sich auf einer einzigen Plattform alle möglichen Menschen gleichzeitig. Kollegen, Freunde, Familie, völlig Fremde, und vor allem sehr überzeugend wirkende Maschinen. Die Folge ist, dass du nicht mehr genau weißt, für wen du überhaupt sprichst. Du redest, aber dein Publikum bleibt gesichtslos, diffus und abstrakt.

Genau deshalb werden, glaube ich, zwei scheinbar gegensätzliche Kommunikationsformen ein überraschendes Comeback erleben: Persönliche Blogs auf der einen Seite und kleinere Communities wie Discord-Server oder klassische Foren auf der anderen.

Blogs, weil sie genau diese Leere bewusst akzeptieren: Sie sind der digitale Gegenentwurf zum ständigen „Engagement Bait“ auf Social Media. Wer bloggt, tut dies nicht, weil er unmittelbar Zustimmung oder Reaktion erwartet, sondern weil er weiß, dass echte Gedanken und Reflexionen Zeit brauchen – und nicht beantwortet werden müssen oder sogar sollen. Das ist digitales Schreiben als eine Art Meditation. Ja, du schreist in den Void, aber zumindest schreist du freiwillig, bewusst und ohne falsche Erwartungen.

Kleine Communities dagegen bieten genau das Gegenteil: Sie schaffen einen klaren sozialen Kontext, eine Art digitale Präsenz, ein Gefühl dafür, dass dein Gegenüber tatsächlich existiert. Es geht hier nicht bloß um Bestätigung oder Likes, sondern um die Gewissheit, dass hinter den Namen echte Menschen stehen – Menschen, die eine eigene Stimme, eine eigene Geschichte und echte Gedanken mitbringen. Es ist diese soziale Realität, die heute so dringend fehlt. Deshalb fühlen sich kleine, geschlossene Räume wie Foren oder Discord-Server plötzlich wieder attraktiv an: Sie geben uns nicht nur eine Bühne, sondern auch die Gewissheit, dass die Plätze im Publikum tatsächlich besetzt sind.

Ich würde das gerne „Social Proof“ nennen:

Social Proof
Ich weiß, dass die anderen Menschen echt sind, weil ich mit ihnen gesprochen habe oder jemanden kenne, der sie kennt. Vertrauen entsteht durch geteilten Kontext und sichtbare Verbindungen.

Vielleicht sehnen wir uns einfach nach einer neuen digitalen Klarheit, nach einer Form von Kommunikation, in der wir wissen, mit wem wir eigentlich sprechen. Nichts ist ermüdender, als ständig gegen eine Wand zu reden und dabei nur halb sicher zu sein, ob die Wand eigentlich zuhört.

Das gilt im echten Leben genau so wie im digitalen, und es gilt für echte Menschen genau wie für Bots.

In dem Sinn: Fröhliches Schreien.